Zwölf Jahre war Manfred Schnieders Vizepräsident Amateurfußball, jetzt ist er Präsident – und flankt den Ball auf Andree Kruphölter, den neuen Chef aller Fußballer*innen im Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen (FLVW). Im Doppel-Interview zum Saisonstart werfen Schnieders und Kruphölter einen Blick auf die Spielzeit 2022/23 und damit verbundene Neuerungen.
Herr Schnieders, wie schwer fällt es Ihnen, nicht mehr den Amateurfußball zu verantworten – vor allem jetzt zum Saisonstart?Manfred Schnieders: Gar nicht. Erstens darf ich ja auch als Präsident weiter auf die Fußballplätze und zweitens haben wir mit Andree Kruphölter einen guten Mann, der auf ein hervorragendes Team zurückgreifen kann. Da ich weiterhin als Vorsitzender des DFB-Spielausschusses tätig bin, gibt es weiterhin noch den direkten Bezug zum Amateurfußball.
Sie haben in Ihrer Rede auf dem Verbandstag angekündigt, vor allem verstärkt mit der Politik zusammenarbeiten zu wollen…
Schnieders: Schließlich haben wir gemeinsam einiges zu tun. Schon heute haben wir im FLVW Vereine, bei denen 30, 40 Kinder auf den Wartelisten stehen, die ihren Mitgliedern keine Freizeitsport-Angebote machen können, weil die Platzanlage nicht ausreicht. Hier benötigen wir die Unterstützung der Politik! Ehrenamt kann nur liefern und auch im Sport die so wichtige Rolle für unsere Gesellschaft übernehmen, wenn wir im wahrsten Sinne des Wortes den Platz dafür bekommen. Der ist unerlässlich, um Kinder und Jugendliche nach den Corona-Lockdowns in Bewegung zu bringen, um älteren Menschen Angebote zu machen, gegen Vereinsamung und für ein gesünderes älter werden sowie Anlaufstelle und Zuhause für alle Menschen im Umkreis zu sein. Dass das geht, zeigt zum Beispiel der SV Westfalia Rhynern, der gerade seinen neuen Sportpark in Betrieb nimmt. Ein Millionenprojekt, das zukunftsweisend ist.
FLVW-Präsident Manfred Schnieders sucht den engen Schulterschluss mit der Politik, um das Ehrenamt zu unterstützen [Foto: FLVW].
Der Ausbau der Infrastruktur für Vereine ist aber nicht alles, Sie haben auch klare Forderungen an die Politik im Hinblick auf die Energiekrise.
Schnieders: Laut dem Expert*innenrat der Bundesregierung zu COVID-19 muss „die Sicherung der sozialen Teilhabe durch sportliche und kulturelle Aktivitäten weiterhin höchste Priorität genießen“. Diese Bewertung muss auch auf die Energiekrise übertragen werden. Sportplätze dürfen nicht geschlossen werden! Zusammen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) fordern auch wir, dass neben der Entlastung für Privatpersonen und Unternehmen auch Vereine direkte finanzielle Hilfen bekommen.
Große Herausforderungen stehen auch im Amateurfußball an, Herr Kruphölter?!"Wir fordern eine direkte Unterstützung der Vereine in der Energiekrise – auch finanziell"
FLVW-Präsident Manfred Schnieders
Andree Kruphölter: Auch im westfälischen Fußball kämpfen wir immer noch mit Corona-Folgen. Nach zwei Corona-Jahren sind wir froh, dass wir die zurückliegende Spielzeit wieder regulär beenden konnten. Jetzt wird es darum gehen, unsere Staffelgrößen wieder anzupassen. Sowohl für unseren Verbands-Fußball-Ausschuss (VFA) als auch für unsere Vereine keine leichte Angelegenheit. Es wird aber auch maßgeblich sein, gemeinsam mit unseren Nachbarn in Nordrhein-Westfalen die Spielordnungen anzupassen und zeitgemäßer zu machen.
Was haben Sie da konkret vor?
Kruphölter: Wir möchten weiterhin die Wünsche und Bedürfnisse unserer Vereine berücksichtigen. Einen ersten Schritt sind wir dabei schon gegangen. Mit Beginn der Saison sind fünf Auswechselungen erlaubt, der Spieltagskader wird 20 Spieler*innen umfassen. Aber wir sind natürlich auch in Gesprächen mit den Landesverbänden, die schon zu dieser Saison die Zeitstrafen einführen. Wir werden uns das genau anschauen und dann gemeinsam mit den Vereinen eine Entscheidung dazu treffen. Gut finde ich, dass der FLVW als Pilotverband neben Bayern voran geht und Frauen das Spielen in Männermannschaften ermöglichen wird. Gerade vor der Entwicklung des demographischen Wandels und der Tatsache, dass im ländlichen Raum oftmals Spieler*innen fehlen, ein zukunftsweisender Schritt in die richtige Richtung.
Zeitstrafen im westfälischen Amateurfußball möchte der neue verantwortliche FLVW-Vizepräsident Andree Kruphölter nicht generell ausschließen [Foto: Holger Jacoby].
Die angesprochene Staffeleinteilung hat – vor allem bei einigen Ruhrgebietsvereinen – für Kritik gesorgt.
Kruphölter: Zunächst ist mir wichtig zu sagen, dass wir für konstruktive Kritik offen sind und uns auch dieser Kritik annehmen. Für meinen Geschmack haben aber einige Vereinsvertreter*innen über das Ziel hinausgeschossen. Mir fehlt da der Blick auf das große Ganze: Bei 214 Bezirksligisten können wir nicht alle Wünsche erfüllen. Der VFA musste auch Härtefall-Entscheidungen treffen. Letztendlich klagen vor allem die Männer-Clubs auf hohem Niveau, wenn man mal die Fahrtwege bei den Frauen vergleicht. Oder man auch mal den Blick komplett über den Tellerrand hinauswirft und sich andere Sportarten wie den Handball anschaut, wo Kreise und Bezirke viel größer sind.
In Ihrer Funktion als Präsidiums-Beisitzer haben Sie sich in den vergangenen drei Jahren intensiv mit der Gewalt-Problematik im Amateurfußball auseinandergesetzt. Ein Dauerthema, wie es scheint.
Kruphölter: Absolut! Uns ist klar, dass wir Gewaltvorfälle nie zu 100 Prozent ausschließen können. Aber wir arbeiten intensiv daran, die Fälle so gut es geht zu minimieren. Hierfür gibt es unter anderem den Arbeitskreis Gewaltprävention, Deeskalationsschulungen für Schiedsrichter*innen und eine enge Zusammenarbeit mit den Sportgerichten. Mit Alexander Lüggert haben wir zudem einen hauptamtlichen Mitarbeiter, der als Anlaufstelle für Gewalt- und Diskriminierungsvorfälle fungiert. Seine Aufgabe: Sich ein Bild von der Lage verschaffen, die Beteiligten und verschiedenen Ebenen kontaktieren – Kreisvorsitzende, Staffelleiter*innen, Schiedsrichter*innen und Vereine – und klären, ob und inwieweit nach den Ereignissen Hilfsbedarf besteht. Es gibt bereits vielfältige Unterstützungsangebote, die nicht jedem/jeder bekannt sind. Lüggert ersetzt dabei nicht die Sportgerichtsbarkeit, sondern soll deeskalierend wirken und die Beteiligten sensibilisieren, um künftigen Gewaltausbrüchen vorzubeugen.
Herr Schnieders, Herr Kruphölter: Was sind abschließend Ihre Wünsche für die nun anstehende Saison?"Wir hoffen, dass sich die EM-Euphorie positiv auf die Mitgliederzahlen im westfälischen Mädchen- und Frauenfußball auswirkt"
Andree Kruphölter (FLVW-Vizepräsident Amateurfußball)
Schnieders: Eine Saison ohne Corona-Unterbrechungen, ohne Gewaltvorfälle und mit vielen spannenden Partien. Auch wenn ich nicht mehr in erster Linie „nur“ für den Amateurfußball verantwortlich bin, freue ich mich nach der Sommerpause nun wieder darauf, sonntags auf die Plätze zu fahren und Spiele zu schauen.
Kruphölter: Das alles kann ich so unterschreiben. Für die Frauen würde es mich freuen, wenn die Euphorie der EM sich auch auf die Mitglieder- und Zuschauer*innen-Zahlen im westfälischen Mädchen- und Frauenfußball positiv auswirken würde.
Vielen Dank für das Gespräch!
[FLVW.de]