Quelle: Uli Hörnemann
Der 1.500-Meter-Rekord war reif. Überreif. Er war schon 32 Jahre alt. Dieter Baumann, die Lauf-Legende aus dem Schwabenland, war 1992 bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Karlsruhe eine Zeit von 3:37,83 Minuten gelaufen. So schnell war nie wieder ein Titelträger, bis Marius Probst am Wochenende nach Leipzig kam, sah und triumphierte.
Mit 3:36,36 Minuten, zugleich persönliche Bestzeit, schlug er den Jahresbesten Robert Farken, der beim Indoor Meeting in Erfurt eine 3:34,51 vorgelegt hatte. Ihm gebührte die Rolle des Favoriten, die sich freilich als Bürde erwies. Denn Probst, der unerschrockene Herausforderer vom TV Wattenscheid 01, schlug den Publikumsliebling bei der Hallen-DM vor eigener Kulisse. „Vize“ Farken lief 3:37,20 Minuten.
Die Arena kochte! Wie ein Orkan dröhnte der Beifall von 4.000 Schaulustigen rund um die Ränge der ausverkauften Halle, wurde lauter und lauter und schien Robert Farben im 1.500-Meter-Finale unaufhaltsam vorwärtszutreiben. Drei Runden vor Schluss knallte er den höchsten Gang rein und sprengte die zwölfköpfige Laufgemeinschaft mit einem fulminanten Antritt. Freie Bahn für den Leipziger Lokalmatador, das Ziel vor Augen.Marius Probst, der nationale Champion im Freien und unterm Dach, ließ sich allerdings nicht so leicht abschütteln. Mutig klemmte er sich an die Fersen des Ausreißers, der sich allzu sicher wähnte. Probst blieb dran, fiel dann zwei, drei Meter zurück, doch eingangs der Zielkurve zündete er wild entschlossen den Turbolader und schoss mit einem irren Finish an Farken vorbei. „Ich wusste, dass ich mich auf meinen Schlussspurt verlassen kann“, verkündete „Probsti“, wie ihn seine Klubkollegen vom TV Wattenscheid 01 rufen, „auf den letzten hundert Metern habe ich nochmal alles reingepackt, was drin war.“
Fulminanter Schlussspurt
Hinter der Bande und vor der Haupttribüne stand sein Trainer: Markus Kubillus. Mit der Stoppuhr in der Hand sah er „ein anspruchsvolles Rennen, zu dem beide beigetragen haben“, schilderte Kubillus seine Eindrücke, „schon vorm Start war mir klar, dass sie den Sieg unter sich austragen würden.“ Wer glaubte, dass er in der spannenden Phase, als Farken rigoros beschleunigte, nervös gewesen sei, irrte gewaltig. „Nein! Warum denn?“ Kubillus lachte und war laut eigener Aussage die Ruhe selbst. „Ich hatte sogar richtig Spaß, weil ich wusste, dass Marius super drauf ist.“ Riesig war das Vertrauen in seinen Schützling, der ihn nicht enttäuschen sollte.Profitierte von einer "geilen Stimmung": Marius Probst [Foto: Iris Hensel]
Der strahlende Sieger war beim folgenden Interview im Innenraum erst mal sprachlos. „Mir fehlen die Worte“, präsentierte er sich überaus bescheiden, „Robert und ich, wir sind gute Freunde und verstehen uns trotz aller Rivalität super.“ Natürlich habe ihn die Atmosphäre angestachelt und auch beflügelt: „Die Stimmung war geil! Jetzt oder nie, habe ich mir gedacht und bin losgerannt, was das Zeug hielt.“ Dass er die Spaßbremse gespielt habe bei Farkens Heimspiel, verneinte Probst. „Ach was“, betonte er, „jeder wollte diesen harten Fight gewinnen.“ Diesmal war Probst der Glücklichere, beim nächsten Mal, gab er zu bedenken, könne Farken wieder die Nase vorn haben.
Auf der Jagd nach der Olympia-Norm
Das Finale war wie gemalt für ihn. „Ja, das war ein schönes Rennen“, bestätigte Marius Probst, „wenn ich mir vorher ein Szenario hätte ausdenken können, wäre es genauso über die Bühne gegangen. Viel besser hätte es nicht laufen können.“ Farken war der Hase und Probst der Jäger, der dieses Duell gewonnen und fette Beute gemacht hatte.Auf der Jagd nach der verflixten Olympia-Norm (3:33,30 Minuten) wollen die zwei Tempobolzer gemeinsame Sache machen. „Am 29. Februar“, berichtete Probst, „fliege ich für drei Wochen nach Südafrika ins Trainingslager.“ In Dullstroom, einer kleinen Ortschaft in 2.076 Meter Höhe, wird er mit Farken den Weg beschreiten, der da heißt: „Road to Paris“.
Schade nur, dass ihn sein größter Fan beim Trip in die südafrikanische Provinz nicht begleiten wird. Celine Gräf, seine Freundin, war immerhin in Leipzig mit dabei. „Ich bin total stolz auf ihn“, bemerkte sie mit einem leisen Lächeln, „das war eine ganz tolle Leistung! Ich wusste, dass er das drauf hat.“ Die Handballerin, die für den Bezirksligisten SV Teutonia Riemke in der Bezirksliga auf Tore- und Punktejagd geht, war gewissermaßen sein Glücksbringer. „Gott sei Dank hatte unsere Mannschaft spielfrei“, erzählte die angehende Ergotherapeutin, die ihren Bachelor bald in der Tasche hat, „aber eine Leistungssportlerin bin ich nicht, einer reicht.“ Fest, ganz fest hatte sie ihrem „Herzblatt“ beim Vor- und Endlauf die Daumen gedrückt. Und siehe da: Es hat geholfen!