Quelle: privat / FUSSBALL.DE
Schulleiter und Schiedsrichter Pooch: "Schiedsrichterei gibt den Kindern im Bereich Persönlichkeitsentwicklung viel mit."
Das Regelwerk und die Gerechtigkeit. Zwei Aspekte, die sowohl auf dem Fußballplatz als auch in Klassenzimmern von Schulen eine große Bedeutung besitzen. Ein Mann, der diese zwei Punkte in seinen Rollen ausfüllt, ist Pascal Pooch. Der Familienvater übt seit Sommer 2023 die Position des Schulleiters an einer Bielefelder Grundschule aus und ist zugleich seit vielen Jahren erfahrener Unparteiischer sowie Schiedsrichter-Beobachter für den Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen (FLVW). Im FUSSBALL.DE-Interview spricht der 36-Jährige über seine Doppelfunktion, die Bedeutung des Schiedsrichterwesens und die Bedeutung von Kooperationen zwischen Schulen und Vereinen.
FUSSBALL.DE: Herr Pooch, was hat Ihre Leidenschaft als Schiedsrichter geweckt?Pascal Pooch: Wenn man jemand ist, der nach Gerechtigkeit strebt und das Regelwerk umsetzt, dann passt das wie die Faust aufs Auge. Ich glaube, dass ich 13 oder 14 Jahre alt war, als ich angefangen und den Schiedsrichterschein gemacht habe. Es macht mir Spaß und ich war dann auch schnell erfolgreich. Auch in der Schiedsrichter-Gemeinschaft wurde ich schnell aufgenommen und so kam das eine zum anderen. So bin ich dann in der Schiedsrichterei hängengeblieben.
2015 haben Sie mit 28 Jahren aber aufgehört und Ihre Schiedsrichterkarriere beendet.
Pooch: Das stimmt tatsächlich. Ich hatte 2015 für mich die Entscheidung gefällt, mehr Zeit mit meiner Familie verbringen zu wollen, weil es für mich schwierig wurde, alles zu kombinieren: Samstag in der Regionalliga an der Linie zu sein und Oberliga zu pfeifen. Dann habe ich für mich entschieden, dass die Lust, selbst auf dem Platz zu stehen, weniger wurde. Ich tausche das nun gegen die Rolle des Beobachters und fördere die Jugend. Dennoch habe ich seitdem hin und wieder ein paar Spiele gepfiffen oder assistiert. Ganz aufgehört habe ich also nicht.
Packt Sie die Leidenschaft zum Pfeifen also immer noch?
Pooch: Ja, wenn es zeitlich passt. Aber die Priorität liegt auf dem Beobachterwesen und der Jugendförderung. Daher coache und betreue ich in der Regionalgruppe Ostwestfalen die U 19-Schiedsrichter im Verband. Im Perspektivteam habe ich zwei Schiedsrichter, einen Landesliga- und einen Westfalenliga-Schiedsrichter, mit denen ich im Austausch bin und sie bei ihren Spielen begleite, um meine Erfahrungen weiterzugeben. Das macht mir sehr viel Spaß und lässt sich ganz gut mit meiner Schulleiter-Tätigkeit vereinbaren.
Sie sprechen die Rolle als Schulleiter an. Wechseln wir vom Fußballplatz auf den Pausenhof: Wie kommt Ihr Hobby an der Schule an? Regeln und Gerechtigkeit spielen sicherlich auch in der Schule eine bedeutende Rolle."Schule ist auch wie Schiedsrichter sein: Wer sich nicht an die Spiel- oder Schulregeln hält, bekommt dann auch gefühlt die Gelbe und Rote Karte."
Pascal Pooch
Pooch: Die Kinder sind sehr interessiert, nicht nur die Jungs, sondern auch die Mädchen. Schule ist auch wie Schiedsrichter sein: Wer sich nicht an die Spiel- oder Schulregeln hält, bekommt dann auch gefühlt die Gelbe und Rote Karte. Aber mir geht es einfach darum, dass die Schiedsrichterei den Kindern im Bereich Persönlichkeitsentwicklung viel mitgibt. Durch die Werte, die man selbst lernt, die einem vermittelt werden, und das kann man auch wieder auf die Schule übertragen. Denn gerade in der Grundschule und in der persönlichen Entwicklung jedes Einzelnen ist es ganz wichtig, eine stabile Persönlichkeit herauszubilden und zu wissen, was meine Stärken und Schwächen sind. Als Schulleiter sollte ich daher gewisse Werte vorleben, zum Beispiel Freundlichkeit oder ein höflicher Umgang miteinander. Ich finde, dass die beiden Bereiche sehr gut miteinander harmonieren.
Das Selbstvertrauen und die Kommunikationsfähigkeiten der Kinder in einem so jungen Alter zu fördern, ist auch eines der Ziele des DFB-Pilotprojekts "DFB Junior Referee". Wie gefällt Ihnen der Ansatz?
Pooch: Der DFB möchte mit dem Projekt Kinder früh fördern und in einer Welt, die immer dynamischer und instabiler wird, stabilisieren. Da packt der DFB an. Ich packe im System Schule an. Ich glaube, dass man einfach ganz viel Unterstützung braucht. Deswegen kann ich solche Projekte nur begrüßen.
Gibt es bei Ihnen an der Schule eine Fußball-AG in Kooperation mit einem Amateurverein?
Pooch: Aktuell sind wir im Austausch mit Vereinen. Nach meinem Start im August musste ich verschiedene Bereiche anpacken, aber die Zielperspektive für eine Vereinskooperation ist auf jeden Fall da. Der lokale Verein ist nebenan, das ist mir schon ganz wichtig.
Der FLVW wirbt zusammen mit seinen Kreisen um den Schiri-Nachwuchs.
Die Kooperation zwischen Verein und Schule/Kita ist eine von vielen Maßnahmen, für die Amateurvereine im DFB-Punktespiel belohnt werden. Wie gefällt Ihnen die Vereinsaktion zur EURO 2024?
Pooch: Absolut gut, weil es für uns als Schulen schon lukrativ ist und wir auch immer Vereine brauchen, die sich in einer Kooperation einbringen und einen Anreiz dafür spüren. Wenn der DFB zusätzliche Anreize bietet, suchen Vereine vielleicht etwas schneller den Kontakt mit den Schulen. Ich glaube, dass man diese Kooperationen weiter anstoßen muss, damit sich größere Netzwerke bilden können.
Wie können Schulen und Vereine voneinander profitieren?
Pooch: Da immer mehr Schulen, auch Grundschulen, in den Ganztagsbereich gehen, ist das auf Dauer sicherlich die Perspektive. Wenn ich sehe, dass 2026 der Rechtsanspruch für einen Platz in der Offenen Ganztagesschule für alle Kinder da ist, müssen sich die Vereine mit der Frage beschäftigen, ob sie mit einer Schule kooperieren, weil sie sonst immer weniger Kinder bekommen. Viele Eltern haben nämlich keine Lust und Freude ihr Kind noch um 17 Uhr zum Fußballplatz zu bringen, wenn es bis 16:30 Uhr in der Schule ist. Da müssen wir eine Symbiose wählen: Die Übungsleiter kommen in die Schule.
Eine Symbiose zu schaffen, ist ein gutes Stichwort: Wie finden Sie die Aktion "Profi wird Pate", die der DFB ins Leben gerufen hat.
Pooch: Ich finde das sehr interessant, weil so der Profi- und Amateurbereich wieder mehr verschmelzen. Das bringt dem Schiedsrichterwesen mehr Aufmerksamkeit. Einmal für den Schiedsrichtermangel, den wir bekämpfen müssen. Dann aber auch für die Wertschätzung der Schiedsrichter, die in den letzten Jahren immer weiter gesunken ist. Wenn ich mir die Gewalt auf den Sportplätzen und die Statistiken anschaue, ist es ganz wichtig, dass die Problematik in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Dass gezeigt wird: Schiedsrichter sind wichtig, wir brauchen Schiedsrichter und daher unterstützen wir sie auch. Wenn ein Bundesliga-Schiedsrichter dann zu einem Amateurplatz kommt und jemanden begleitet, der sein erstes oder zweites Spiel pfeift, ist das eine tolle Geschichte, die zeigt: Die Wertigkeit der Schiedsrichter wird wahrgenommen.
Sie setzen sich dafür ein, dass diese Wertigkeit zunimmt und wir auch in Zukunft noch weitere tolle Geschichten im Bereich Schiedsrichterei hören. Den Kindern gehört bekanntlich die Zukunft. Warum sollten gerade junge Menschen den Schritt wagen, Schiri zu werden?
Pooch: Das ist nochmal eine schöne Frage zum Abschluss. Das Schiedsrichter-Dasein hat mir in meinen jungen Jahren sehr viel Selbstbewusstsein und Stärke in der Persönlichkeitsentwicklung gegeben. Das habe ich gut für meinen Alltag und meinen beruflichen Werdegang genutzt. Ich glaube, dass die Schiedsrichterei als Unterstützung eine wahnsinnig gute Rolle einnehmen kann für jemanden, der dem Fußballsport nahe ist und diesen gerne ausübt. Mir würde kaum eine andere Art einfallen, um die Persönlichkeit so aktiv zu stärken und sich allein gegen 22 Leute auf und x Leute neben dem Platz durchzusetzen, standfest zu sein, seine Meinung zu kommunizieren und transparent zu äußern. Das sind Fähigkeiten, die für das Leben an sich später wichtig sind. Wenn man früh als Fußball-Schiedsrichter anfängt und daran noch ein bisschen Spaß hat, dann ist das wirklich ein guter Schritt.
Weitere Informationen:
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