Quelle: U. Hörnemann
Start zum 22. Münster-Marathon mit den beiden Tempomachern Nils Voigt (Start-Nr. 4729) und Hendrik Pfeiffer [Foto: U. Hörnemann].
Auch in diesem Jahr war der Volksbank-Münster-Marathon ein Leichtathletik-Event der Superlative. Zu Tausenden säumten die Zuschauer*innen die Straßen Münsters. Dazu verliehen die zahlreichen Künster*innen der Veranstaltung wieder ein ganz besonderes Flair. Nicht zuletzt konnten sich auch die sportlichen Leitungen der Athlet*innen absolut sehen lassen.
Ein Rennen wie ein Feuerwerk aus Kunst, Kultur und Sport. Ein funkelndes Spektakel. Packend von der ersten bis zur letzten Minute. Wie der Teufel stürmte Collins Kemboi Kipsang, der Hauptdarsteller von fast 11.000 Aktiven, über den roten Teppich, den eifrige Helfer über den Prinzipalmarkt ausgelegt hatten. Vor ihm lag das Ziel, im Schatten der Lambertikirche, in der Bischof Clemens August Graf von Galen einst mutig seine Predigten gegen das Nazi-Regime gehalten hatte. Weit hinter dem strahlenden Sieger aus dem fernen Kenia, der den „MüMa“, wie die Einheimischen den Münster-Marathon rufen, in 2:10:52 Stunden beherrscht hatte, folgten seine Landsleute, denen das ausdauernde Laufen im Blut liegt, in respektablem Abstand, da sie seinem Schrittwirbel in der Schlussphase nichts mehr entgegensetzen konnten.Besonders angefasst, enttäuscht oder gar traurig war Collins Kemboi Kipsang nicht, nachdem er den gerade zwölf Monate alten Streckenrekord (2:09:07 Stunden) von Charles Muneria verfehlt hatte. Ganz im Gegenteil: „Es war heute ein bisschen zu warm“, sagte der sympathische Bursche, der am 27. August, wenige Tage vor diesem Lauf-Spektakel, seinen 27. Geburtstag gefeiert hatte, und deutete dann lachend auf den Boden, „sehr, sehr schwer!“ So schön das historische Kopfsteinpflaster in der Innenstadt auch ist, vornehmlich auf dem Prinzipalmarkt, in Münsters guter Stube, so drückte es doch auf die Endzeiten. Kein Vergleich zu dem Hochgeschwindigkeitskurs in Berlin, wo in der Vergangenheit bereits mehrere Weltrekorde aufgestellt wurden.
Der Mann mit dem langen Atem, der bis zur Halbmarathon-Marke (1:05:06 Stunden) von den beiden Edelhasen Hendrik Pfeiffer, dessen Ehefrau Esther den Zwei-Drittel-Marathon über 28 km in 1:37:56 Stunden vor dem ersten Mann, Manuel Goerlich (LSF Münster, 1:43:14 Stunden), dominiert hatte, ist noch ein Neuling auf der klassischen Distanz. Im Oktober 2023 debütierte er in Dresden und triumphierte auf Anhieb in 2:10:42 Minuten. Auf die Sekunde genauso schnell war Collins Kemboi Kipsang im Mai beim „Route du Louvre“ im französischen Lens. „Münster war erst sein dritter Marathon“, erzählte Michael Kraus, sein Coach und Manager vom international ausgerichteten Modedis Running Team aus Franken, „ob er in diesem Jahr noch einmal starten wird, entscheiden wir später. Collins wird nun zurück nach Kenia fliegen und weiter fleißig trainieren.“ Im Rift Valley, dem großen Grabenbruch, der sich von Ostafrika nach Südwestasien erstreckt, wird er betreut von Christopher Rono und Paul Kipsiele Koech, 2004 in Athen Olympia-Dritter über 3.000 Meter Hindernis und von daher ein formidabler Lehrmeister.
Sieger beim Münster-Marathon in 2:10:52 Stunden: Collins Kipruto Kemboi aus Kenia [U. Hörnemann].
Barnabas Kipyego, 35 und nicht mehr der Jüngste, holte sich das zweite Preisgeld in 2:14:48 Stunden, obwohl er einen Wahnsinnstrip in den Beinen hatte. Wie Michael Brinkmann, der Macher des Münster-Marathon berichtete, wäre Kipyego aus bürokratischen Gründen fast in der Heimat stecken geblieben. Bis ihm sein Ausreisevisum ausgestellt wurde, waren drei Telefonate mit dem deutschen Konsulat in Nairobi, der Kapitale Kenias, nötig. Zu allem Überfluss verpasste er in „good old germany“ den Zug, denn als ihn die Organisatoren zwei Tage vor der Veranstaltung vom Bahnhof abholen wollten, fehlte von ihm jegliche Spur. Spät am Abend suchte er dann Einlass im Meldebüro, das allerdings längst verschlossen war. Dass der „Oldie“ bei dieser stressigen Anreise noch eine so gute Vorstellung ablieferte, zeigt, aus welch hartem Holz er geschnitzt ist. Zwei andere Kenianer, die in Münster üblicherweise die Preisgelder abräumen, belegten die Ränge drei und vier: Martin Cheruiyot, der im Mai in Genf ein Resultat von 2:11:05 Stunden vorgelegt hatte, wurde Dritter in 2:15:48 Stunden und Erick Leon Ndiema bei seiner Marathon-Premiere Vierter in 2:16:02 Stunden. Akira Tomiyasu, ein Japaner, enttäuschte als Gesamtfünfter in 2:22:55 Stunden, denn nach der plötzlichen Absage des Kenianers James Gitahi Rungaru (PB: 2:08:21 Stunden) wurde Tomiyasu hoch gehandelt. Immerhin war er 2:08:55 Stunden in Tokio 2022 gerannt.
In Abwesenheit von Manuel Sansar, dem Serientäter, der bereits zehnmal bester Deutscher beim „MüMa“ war, und Marcel Bräutigam, der 2022 in Münster erfolgreiche Polizeihauptmeister aus Thüringen, krallte sich ein „local hero“ die Extraprämie in Höhe von 2.000 Euro. Manuel Kruse, Heilpraktiker von Beruf und Läufer aus Passion, wurde Sechster in 2:24:40 Stunden. In Hannover, Schauplatz der nationalen Titelkämpfe im April, war er als undankbarer Vierter der Altersklasse M30 Vierter geworden in 2:20:56 Stunden. David Schönherr, Trainer der ortsansässigen Running Crew, der in Münster als Zehnter in 2:36:48 Stunden auch noch den Sprung in die Top Ten geschafft hatte, lobte seinen Schützling in den höchsten Tönen: „Manuel ist vielleicht der disziplinierteste Athlet, den ich zur Zeit kenne, seine Entwicklung ist bemerkenswert.“ Kruse, der mit Ehrgeiz, Zielstrebigkeit und einer Prise Besessenheit zu Werke geht, unternahm 2012 seinen ersten Marathon-Ausflug in seiner Heimatstadt in 3:28 Stunden. Wenn alles klappt, möchte er im Dezember in Valencia die begehrte 2:20-Stunden-Schallmauer knacken. Schönherr traut ihm alles zu.
Siegerin beim Münster-Marathon in 2:32:25 Stunden: Rebecca Jeruto aus Kenia [Foto: U. Hörnemann].
Ein flottes Trio aus Kenia dominierte die Frauen-Konkurrenz. Rebecca Jeruto schnappte sich wie 2023, als sie mit Krämpfen in den Oberschenkeln in 2:29:13 Stunden ins Ziel gewankt war, die Siegprämie von 3.000 Euro vor Lina Jepkemoi Kaino (2:33:42 Stunden) und Dorine Jerop Murkomen (2:38:49 Stunden). Im vierten Marathon ihrer Karriere glückte ihr das zweite Erfolgserlebnis in 2:32:25 Stunden. Im April im österreichischen Linz hatte sie noch in 2:33:05 Stunden die Nase vorn. Philipp Kopp, der Sohn des verstorbenen Athletenmanagers Christoph Kopp, hatte die Dame aus Iten als Leiter der Agentur „International Sport Service“ (ISS) nach Münster begleitet.
Maria Elisa Legelli aus Böbing im hügeligen Alpenvorland, ein zierliches, 1,70 Meter kleines Persönchen mit schulterlangem Haar und fröhlichem Lächeln, glänzte als beste deutsche Läuferin in 2:49:25 Stunden. 2023 wurde sie bayerische Marathonmeisterin in 2:50:04 Stunden, ein Resultat, das sie nunmehr im flachen Münsterland toppte. Jana Kappenberg, die amtierende deutsche Marathonmeisterin der W45, war diesmal „nur“ die Zweitbeste in der Extrawertung, die sie 2022 und 2023 gewonnen hatte. „Halb so wild“, bemerkte die gelernte Physiotherapeutin aus Telgte, die das Trikot der Laufsportfreunde Münster trägt, „meine Vorbereitung war auch durchwachsen.“
Beste Münsteranerin und zweitschnellste Deutsche in 2:53:08 Stunden: Jana Kappelmann von den LSF Münster [Foto: U. Hörnemann].
Töchterchen Milla, an Bronchitis erkrankt, hatte sie angesteckt. „Und heute Morgen habe ich mir auch noch den Rücken verrenkt.“ Weil der Ischias verrückt spielte, führte ihr Weg rasch zu einer Freundin, die ihr mit einer Faszienrolle wieder auf die Beine half. Angefeuert von den Eltern, Papa Werner und Mama Ulla, die aus ihrer Geburtsstadt Coesfeld herbeigeeilt waren, wurde sie Achte in 2:53:08 Stunden. „Die Platzierung ist okay“, meinte sie, „von der Zeit reden wir lieber nicht.“ 2025, wenn ihr Heim-Marathon am 14. September ausgetragen wird, ist sie wieder dabei. O-Ton Kappelmann: „Versprochen!“ Das wird ihr neunter Start sein bei der dann 23. Auflage.