Im Sommer 2020 starteten Toni Tuklan und Dietmar Wurst das Projekt "Glücklich geht einfach".
Die Aktion „Glücklich geht einfach“ – Sportartikel für Afrika hat alle Beteiligten viel Schweiß und Tränen gekostet, doch nach gut zwei Jahren waren alle Hürden überwunden und die Spendenaktion konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Die beiden Initiatoren Dietmar Wurst, Vorsitzender des SuS Rünthe, und Toni Tuklan, Musiker aus Werne sowie Mitglied in der FLVW-Kommission Integration, waren rund um den Jahreswechsel noch einmal vor Ort. Nach ihrer Rückkehr aus Nigeria haben wir mit den zwei engagierten Westfalen gesprochen.
Ihr wart vom 22. Dezember bis zum 8. Januar in Nigeria und habt euer Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht. Wie war die Reise?Dietmar Wurst: Unbeschreiblich. Wir waren ja zum insgesamt vierten Mal dort und konnten endlich die Früchte unserer Arbeit ernten. Das war schon ein richtig gutes Gefühl. Da weiß man dann, warum man all die Strapazen auf sich genommen hat.
Toni Tuklan: Mir kommt es immer noch unwirklich vor, was wir alles erlebt haben. Ich kann es immer noch nicht glauben. Es hat ja total lange gedauert, bis letztendlich alles geklappt hat. Aber es waren super Erfahrungen, die wir nie vergessen werden.
Im Sommer 2020 ging euer Projekt „Glücklich geht einfach“ an den Start. Wie kamt ihr ursprünglich auf die Idee?
Dietmar Wurst: Die Idee zum Projekt kam durch meine Reisen. Ich war in den verschiedensten Ländern in Afrika unterwegs, oft auch in den kleineren Dörfern. Wenn man dort hinkommt, wird man immer wahnsinnig freundlich aufgenommen, auch wenn die Leute dort nicht viel besitzen. Das fand ich beeindruckend und ich habe dabei auch hautnah mitbekommen, an was es den Menschen – neben Nahrung – fehlt, z.B. an Klamotten und Sportgeräten. In meiner Eigenschaft als Vereinsvorsitzender bin ich dann teilweise auf ältere Trikotsätze gestoßen, die aufgrund verschiedener Gründe nicht mehr in Benutzung sind, aber die zum Wegschmeißen natürlich viel zu schade waren. Da kam dann die Idee, diese Sportartikel an die Menschen in Afrika zu bringen, die sie gut gebrauchen können. Irgendwann fiel mir Toni ein, den ich von einem Trainerlehrgang im SportCentrum Kaiserau kannte, und der, wie ich, aus Werne kommt. Ich wusste, dass er gute Kontakte nach Afrika hat, und da habe ich ihn einfach angerufen.
Toni Tuklan: Ich bin zuvor schon immer regelmäßig nach Nigeria geflogen, weil ich dort geboren bin und Teile meiner Familie noch da leben. Ich habe vor Ort immer wieder mitbekommen, unter was für Bedingungen Kinder und Erwachsene dort Fußball spielen. Deshalb habe ich bei meinen Flügen nach Nigeria immer ein bisschen was mitgenommen, was ich dort verschenkt habe. Dann kam irgendwann der Anruf von Dietmar, der meinte, vielleicht können wir zusammen was auf die Beine stellen. Als wir gesprochen haben, dachte ich: Das passt zu 100 Prozent, das ist ein Glückstreffer. Wir haben uns gut ergänzt. Er hat die Kontakte hier, ich in Afrika. Das Gute war, dass er durch seine Reisen die Gegebenheiten in Afrika kannte. Er wusste, wie es vor Ort war und was die Menschen in Afrika brauchen. Er wusste, was zu tun ist und von was er spricht. Das ist wichtig, wenn man in Afrika was bewegen will.
Spontaner Zwischenstopp am Straßenrand.
Große Spendenbereitschaft
Ihr habt in der Folge zu Sachspenden aufgerufen. Wie viele Artikel sind zusammengekommen?Dietmar Wurst: Das sind eine der wenigen Dinge, die wir nicht wissen. Wir hatten mal irgendwann gesagt, wir hätten 7.000 bis 10.000 Teile, aber dann kamen z.B. noch „Leuchte auf“ (die Stiftung von Borussia Dortmund, Anm. d. Autors), kurz bevor der Container gepackt wurde, mit 3.600 T-Shirts. Wir haben dann grob geschätzt, wie viel Platz die im Container eingenommen hatten und kamen auf weit mehr als 10.000. Wahrscheinlich waren es sogar über 20.000. Aber tatsächlich haben wir es nicht gezählt, weil es einfach sehr viele waren – zum Glück.
Toni Tuklan: Wir hatten nicht gedacht, dass es so viele werden. Es kamen ständig neue Spenden, wir sind sehr viel herumgefahren, um die Sachen einzusammeln. Das war schon beeindruckend, wie viele Menschen was gegeben haben. Aus ganz Deutschland haben sich Leute gemeldet. Dafür sind wir sehr dankbar.
Wie sind die Leute auf euch aufmerksam geworden?
Dietmar Wurst: Neben der Mund-Propaganda haben uns vor allem die vielen Presseberichte geholfen. Viele Medien haben das Thema aufgegriffen und darüber berichtet. Dadurch hat sich das in ganz Deutschland herumgesprochen. Auch jetzt im Nachgang war das Interesse groß. Unter anderem lief diese Woche ein Bericht in der Lokalzeit des WDR. Das war auch noch mal eine tolle Bestätigung unseres Engagements und dadurch konnten viele, die gespendet hatten, sehen, dass ihre Spenden an den richtigen Stellen angekommen sind. Wir konnten aufgrund der enormen Menge der Spenden ja nicht jede*n Spender*in auf dem Laufenden halten. Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch mal herzlich bei allen bedanken.
Wie habt ihr diese Masse an Artikeln nach Afrika bekommen?
Dietmar Wurst: Toni hat nicht so große Koffer, und er wollte nicht so oft fliegen (schmunzelt). Da haben wir einen Container gekauft. Den haben wir teilweise aus eigener Tasche finanziert, wir wurden dabei aber auch, unter anderem vom Förderverein Bundesdeutscher Hilfsdienste aus Marl, die auch schon sehr viele Klamotten gespendet hatten, unterstützt.
Toni Tuklan: Ein bisschen Unterstützung haben wir auch vom Fußballverband aus der Region Delta State (Bundesstaat im Süden Nigerias, Anm. d. Autors) bekommen. Das ist die Region, für die die Sachen bestimmt waren.
Wie ging es weiter, als alle Spenden eingesammelt waren?
Toni Tuklan: Der Container hat ungefähr vier Wochen gebraucht, bis er im Hafen von Lagos (größte Stadt Nigerias, Anm. d. Autors) ankam. Dann ging das große Warten los. Am Ende stand der Container über ein Jahr lang im Hafen von Lagos.
Projekt wird zur Geduldsprobe
Was war das Problem?Dietmar Wurst: Jede Kleinigkeit, die schiefgehen konnte, ist auch schiefgegangen. Von daher hatten wir eine hundertprozentige Trefferquote (schmunzelt). Zwei, drei Wochen nachdem der Container angekommen war, hatten wir unseren Flug gebucht. Naiv wie wir waren, dachten wir, wir können den Container direkt in Empfang nehmen. Das erste Problem war: Der Empfänger war das Sportministerium der Region Delta State, also vergleichbar mit dem Landessportbund in Nordrhein-Westfalen. Wir dachten, das wäre ganz gut, die haben gute Verbindungen, Transportmittel und Lagerraum. Das hätten sie auch alles gehabt, aber sie hatten keine Steuer ID. Und ohne diese Steuer ID konnte der Container nicht zugeordnet werden. Das hat dann schon mal ewig gedauert, bis diese Nummer da war. Es gab dann aber noch weitere Probleme innerhalb des Zolls. Bei einer Datenübertragung der Papiere ist ein Fehler passiert. Da waren wir etwas ratlos, wir hatten ja keine Ahnung, wie wir das regeln sollen. Da hat uns dann glücklicherweise Hapag Lloyd geholfen, die für die Verschiffung des Containers zuständig gewesen waren. Wir hatten durch einen glücklichen Zufall Kontakt zum obersten Chef von Hapag Lloyd bekommen. Der hat sich mit Hapag Lloyd in Lagos in Verbindung gesetzt. Das hat auf jeden Fall geholfen. Dazu hat Toni bei unserer dritten Reise im vergangenen September noch gefühlt 25 Stunden am Tag telefoniert, um zu gewährleisten, dass der Container auch wirklich endlich aus dem Hafen raus kam. Das hat dann Anfang Oktober auch funktioniert. Da waren wir dann allerdings schon wieder zu Hause.
Toni Tuklan: Wir waren zwischendurch wirklich fix und fertig mit den Nerven. Und es kamen manchmal schon komische Gedanken auf. Wir hatten teilweise die schlimmsten Befürchtungen: Vielleicht ist der Container längst verkauft? Und wenn er noch da ist, sind die Sachen vielleicht schon verfault? All solche Dinge gehen einem da durch den Kopf. Aber das ist zum Glück alles nicht passiert. Mut hat uns gemacht, dass uns von den Kontaktleuten im Hafen immer wieder bestätigt wurde, dass der Container noch da ist. Sie hatten uns ein Video geschickt. Auf dem Container war ein kleiner Aufkleber von SuS Rünthe zu sehen, den Dietmar vorher draufgeklebt hatte. Da wussten wir, okay, das ist unser Container und er ist noch da. Im Oktober ist der Container dann in Asaba (Hauptstadt von Delta State, Anm. d. Autors) angekommen. Davon haben sie uns auch wieder ein Video geschickt, weil wir mittlerweile schon wieder zu Hause waren. Als ich das gesehen habe, war ich ganz schön kaputt, aber auch sehr erleichtert.
Wie wurde die Verteilung vor Ort organisiert?
Dietmar Wurst: Die fand grundsätzlich auf drei Wegen statt. Zum einen über die dortigen Könige. Dazu muss man wissen: In Nigeria beziehungsweise in der Region Delta State wird ganz normal gewählt. Aber unabhängig von der Regierung und den Parteien gibt es darüber hinaus noch lokale Könige, die sich um bestimmte Angelegenheiten in ihrem Gebiet kümmern. Deswegen haben wir einen Teil an die verschiedenen Könige abgegeben, die das wiederum weiter verteilt haben. Der zweite Weg war über die verschiedenen Ministerien, in erster Linie Sport- und Bildungsministerium. Von dort gingen die Spenden dann an Schulen und wurden auf lokalen Sportfesten verteilt. Dazu gab es im November 2022 ein großes Sportfest in Asaba. Der dritte Weg war direkt über uns, als wir jetzt zwischen Weihnachten und Neujahr wieder vor Ort waren. Wir haben verschiedene Dorfturniere besucht. Teilweise haben wir aber auch irgendwo an der Straße angehalten, den Kofferraum aufgemacht und Sachen rausgegeben.
Toni Tuklan verteilt Spenden an Kinder und Jugendliche.
Riesige Dankbarkeit vor Ort
Wie war die Reaktion der Menschen vor Ort?Dietmar Wurst: Insgesamt war das ein Riesen-Ansturm, wenn wir irgendwo vorbeigefahren sind. Meist haben wir angehalten, wenn wir gesehen haben, dass irgendwo Kinder Fußball spielen. Dann haben wir immer einen Teil der Sachen aus dem Kofferraum geholt. Anfangs waren das meist so um die zehn Kinder, aus denen wurden dann immer ganz schnell 50 Kinder und Jugendliche, die aus dem ganzen Dorf zusammenströmten.
Toni Tuklan: Die waren teilweise richtig erstaunt, dass da einfach jemand vorbeifährt und Sachen verschenkt. Manche konnten es gar nicht glauben. Die waren teilweise sogar skeptisch und wollten deshalb nichts. Aber es gab natürlich auch jede Menge leuchtende Augen. Das war schon toll. Einmal, nachdem wir Sachen verteilt hatten, fuhren wir langsam weiter. Da hat uns ein Kind zu Fuß überholt! Das rannte schnell nach Hause, um zu zeigen, was es bekommen hatte. Oder einmal hatten wir an einer Tankstelle jemand gesehen, der Klamotten von uns anhatte. Ich sagte zu Dietmar: Das sind doch Sachen von uns! Super. Einfach super. Sehr beliebt waren auch Fußbälle. Ein Ball ist dort heilig. Dort wird in einem Dorf jahrelang mit einem einzigen Ball gespielt.
Dietmar Wurst: Was wir vor Ort ganz oft gesehen hatten, dass jemand seine Flip-Flops als Torwarthandschuhe benutzt hat, deshalb waren Handschuhe auch sehr begehrt. Fußballschuhe natürlich auch. In den Dörfern beim Kicken auf der Straße hat niemand welche. Aber auch bei normalen Spielen auf den Sportplätzen haben viele keine Fußballschuhe. Da spielen dann manche mit Schuhen gegen welche ohne Schuhe. Dass das im Zweikampf nicht gerade angenehm ist, kann man sich ja vorstellen. Wenn wir so was gesehen haben, haben wir auch angehalten und Schuhe verteilt, wenn es mit den Größen gepasst hat. Insgesamt muss man sagen: Wir haben ja im Moment in Deutschland auch Probleme, mit der Inflation, mit der Energiekrise und so weiter, aber das relativiert sich alles, wenn man die Verhältnisse dort sieht.
Ihr habt das Projekt fürs Erste erfolgreich abgeschlossen. Wird es eine Fortsetzung geben?
Dietmar Wurst: Grundsätzlich hat uns das Projekt viel Zeit, Energie und auch Geld gekostet. Da kam einiges zusammen durch die Hafengebühren, die Flüge und so weiter. Geld ist das eine, aber die Kraft und Energie das andere. Wir haben aber immer wieder den Bedarf gesehen, wie sinnvoll das ist und auch in Zukunft sein wird. Toni ist ohnehin dazu geboren, um solche Projekte zu machen, der kann gar nicht gar anders. Wir als Verein SuS Rünthe wollen auch weiterhelfen. Wir bekommen auch immer noch Anfragen von Vereinen, aber wir brauchen neue Lagerräume. Wenn wir da welche gefunden haben, dann können wir wieder einen Aufruf starten. Wie das dann aussieht und in welcher Größenordnung, wird sich zeigen.
Toni Tuklan: Wir haben auf jeden Fall dazugelernt und wissen in Zukunft besser, was man machen kann und auf welchem Weg es am besten funktioniert. Das könnten wir beim nächsten Mal anwenden.
Vielen Dank für das Gespräch!
[FLVW.de]