Quelle: P. Middel
Anne-Chatrine Rühlow verstarb mit 86 Jahren.
Wie erst jetzt bekannt wurde, starb Anne-Chatrine Rühlow Ende Juli im Alter von 86 Jahren. Im Laufe ihrer langen Karriere sammelte die Athletin des SV Burgsteinfurt zahlreiche Meistertitel auf Ebene des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) und des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen (FLVW). Zudem errang sie als Seniorensportlerin sieben Welt- und 20 Europameister-Titel. 2017 stellte sie mit 9,66 Meter im Kugelstoßen und mit 26,53 Meter im Diskuswerfen 2017 zwei Senioren-Weltrekorde auf.
Es gibt im DLV sicherlich kaum eine Athletin, die über solch einen langen Zeitraum so erfolgreich war. Man hatte fast das Gefühl, als hätte die Wurfspezialistin aus dem Münsterland die ewige Jugend für sich gepachtet. Allerdings schränkte sie damals ein: „Man muss auch dafür etwas tun. Ich fahre sehr viel Fahrrad, mache täglich Gymnastik und versuche, mich möglichst viel zu bewegen.“Die Kugel und den Diskus nahm die gelernte Hauswirtschafterin in den vergangenen Jahren im Training nur noch gelegentlich zur Hand, denn sie hatte in beiden Disziplinen in den sieben Jahrzehnten die jeweilige Technik unauslöschlich verinnerlicht.
Aus Schleswig-Holstein ins Münsterland
Die Grundlage für ihre erfolgreiche Karriere legte die siebenfache Senioren-Weltmeisterin, die Bestweiten von 15,33 m im Kugelstoßen und 56,14 m im Diskuswerfen (jeweils 1971) hat, bereits während ihrer Kindheit, die sie auf einem Hof im beschaulichen Altgalendorf in der Nähe von Oldenburg in Holstein (Schleswig-Holstein) verbrachte. „Ich war den ganzen Tag an der frischen Luft. Es war eine schöne Zeit, obwohl wir unseren Eltern bei der Arbeit oft helfen mussten“, schwärmte Anne-Chatrine Rühlow, die zusammen mit ihrer Schwester Margarethe bereits als Kind über selbst gebastelte Hürden lief.Die spätere Meisterwerferin fiel auch in der Schule durch ihr großes Bewegungstalent auf, sodass ihre damalige Sportlehrerin Hanna Garless ihr riet, sich dem Oldenburger Sportverein anzuschließen. Damals war Rühlow bereits 14 Jahre alt – für heutige Verhältnisse somit schon eine Spätstarterin.
Die Erfolge ließen nicht lang auf sich warten. Bei den DLV-Jugend-Titelkämpfen 1954 in Ludwigsburg gewann die 1,65 Meter große Werferin im Kugelstoßen mit 12,87 m und Diskuswerfen mit 40,99 m jeweils Gold. Aufgrund ihrer großen Vielseitigkeit holte sie sich zudem im selben Jahr den Fünfkampf-Titel mit 3.897 Punkten. „Ich war eigentlich eine Mehrkämpferin und habe mir dadurch die Grundlage fürs Werfen geschaffen. Zudem bin ich regelmäßig gejoggt. Diese Vielseitigkeit wird heute von vielen jungen Athletinnen leider zu sehr vernachlässigt“, kritisierte sie.
Erfolgreiche Seniorensportlerin
Bereits zwei Jahre nach ihrem Doppelerfolg von Ludwigsburg konnte sich die damals 20-Jährige für die Olympischen Spiele in Melbourne qualifizieren, wo sie im Kugelstoßfinale den zwölften Platz belegte. Anne-Chatrine Rühlow, die gerne strickte, viel las, im Garten arbeitete und sich ehrenamtlich in der Altenbetreuung engagierte, hatte das Glück, dass sie während ihrer langen Laufbahn weitgehend von Verletzung verschont blieb. Lediglich 1979 musste sie sich einer Meniskus-Operation unterziehen.Gern erinnerte sich die Leichtathletik-Dauerbrennerin an ihren Start 1956 bei der EM in Bukarest, als sie vor dem Wettkampf von einer Kampfrichterin irrtümlich aus dem Stadion „geworfen“ wurde. Nach der Intervention durch einen DLV-Vertreter durfte sie ins Stadion und siegte zu ihrer großen Genugtuung im Diskuswerfen mit 47,00 m. Lebhaft in Erinnerung ist für sie auch noch ihr Debüt im Nationaltrikot 1955 beim Länderkampf gegen Großbritannien in London. „Für mich war schon der Flug, bei dem wir wegen der Kälte in Decken gehüllt in den Reihen saßen, etwas Faszinierendes.“
Alle, die Anne Chatrine Rühlow kannten, werden sich sicherlich noch lange an die erfolgreiche und sympathische Werferin aus dem Münsterland erinnern.
[Peter Middel]