Quelle: Peter Busse
Immer zu Späßen aufgelegt: Chantal Butzek
Wer mit Chantal Butzek ein Interview führen möchte, muss ein wenig Geduld mitbringen, denn sie ist zeitlich sehr stark eingebunden. Die frühere Top-Sprinterin des LC Paderborn, die im Jugendbereich einmal nach den Sternen griff, ist sehr viel unterwegs und kommt manchmal erst spät in der Nacht zur Ruhe, denn sie hat Ende vergangenen Jahres im Studienseminar Paderborn ihr Referendariat begonnen und lässt sich dort in den Fächern Sport und Deutsch zur Gymnasiallehrerin ausbilden. Zudem ist sie weiter der Leichtathletik eng verbunden.
Die Umstellung zu ihrer Studienzeit, die sie ebenfalls in Paderborn absolvierte, ist groß, denn neben ihrer Ausbildung im Seminar, unterrichtet sie noch am Reismann-Gymnasium in Paderborn. Da muss sie als junge Lehrerin noch sehr viel Zeit für die Stunden-Vorbereitungen investieren. Daneben engagiert sie sich beim LC Paderborn noch in der Vereinsführung. Damit will sie ihrem Verein das zurückgeben, was sie an Förderung von ihm während ihrer aktiven Zeit erhalten hat.„Da gehen auch einige Stunden drauf, denn ich muss viele Gespräche mit Athletinnen und Athleten sowie Trainerinnen und Trainern führen. Hinzu kommen bei mir noch Besuche bei Wettkämpfen, Aufgaben im organisatorischen Bereich und die Mitgestaltung unseres 50-jährigen Vereinsjubiläums. Ich freue mich aber, dass ich diese Tätigkeit übernommen habe, denn ich lerne nun auch einmal die umfangreiche und zeitintensive Arbeit hinter den Kulissen kennen, von der ich mir während meiner aktiven Zeit kaum eine Vorstellung gemacht habe“, betont Chantal Butzek. Das Bemerkenswerte: Trotz ihrer augenblicklichen Aufgabenfülle strahlt sie weiterhin eine beneidenswerte Fröhlichkeit aus. So kennen viele Leichtathletik-Fans die quirlige junge Frau noch von ihren eindrucksvollen und unvergesslichen Auftritten auf der Kunststoffpiste.
In der Ahorn-Sporthalle in Paderborn legte Chantal Butzek die Grundlage für ihre vielen Erfolge [Foto: Jörg Mantay].
Unerwartetes Aus vor drei Jahren
Vor drei Jahren beendete Chantal Butzek plötzlich und unerwartet ihre erfolgreiche Laufbahn, die sie sicherlich noch einige Jahre hätte fortsetzen können. Ausschlaggebend für das unerwartete Aus waren ihre Verletzungen wie ein vierfacher Sehnenanriss samt Knochenödemen und ihr großer Wunsch, Lehrerin zu werden. Zum Schluss ihrer glanzvollen Karriere konnte sie ihren eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht zu werden. „Ich konnte meinen früheren Leistungsstand nicht mehr halten. Zudem fehlten mir zuletzt meine Unbeschwertheit, der Spaß und die Freude an der Bewegung, die mich früher immer vorangetrieben haben“, nennt die Paderbornerin weitere Gründe für ihre Entscheidung, die Wettkampfbühne vorzeitig zu verlassen.Vor einem Jahr ist die mehrfache deutsche Jugendmeisterin allerdings noch einmal rückfällig geworden. Aus einer spontanen Idee heraus entschied sie sich, zusammen mit ihrer Freundin und Studienkollegin Tina Rother noch einmal an den deutschen Hochschulmeisterschaften in Frankfurt teilzunehmen. Mit einem Crash-Training von lediglich vier Wochen stellte sie sich in der Main-Metropole der starken Sprint-Konkurrenz und überraschte dort mit ihrem siebten Rang in 7,68 Sekunden (Vorlauf 7,66 Sek.). „Mit dieser Zeit war ich hochzufrieden, denn sie zeigte mir, dass ich das Sprinten nicht verlernt hatte, und ich immer noch über eine gewisse Grundfitness verfügte. Das war aber sicherlich mein letztes Rennen, denn ich hatte hinterher einige muskuläre Probleme“, verriet die angehende Gymnasiallehrerin, die aufgrund ihres dichtgedrängten Tagesablaufs nur noch einmal in der Woche dazu kommt, selbst Sport zu treiben.
Chantal Butzek kann auf eine recht erfolgreiche Karriere zurückblicken. Ihr außerordentliches Talent erkannten bereits 2011 die Sportlehrerinnen des katholischen Gymnasiums St. Michael in Paderborn, als sie bei den Bundesjugendspielen allen gleichaltrigen Mädchen davoneilte. Die bewegungsbegabte Schülerin absolvierte beim LC Paderborn ein Probetraining und wurde dort mit offenen Armen aufgenommen.
2012 erstmals bei den Westfalenmeisterschaften erfolgreich
Bei den westfälischen Jugend-Hallenmeisterschaften 2012 in Paderborn ging die damals 15-Jährige bereits auf Titeljagd und war auf Anhieb mit 7,81 Sekunden über 60 Meter und 9,11 Sekunden über 60-Meter-Hürden erfolgreich – und es ging für sie dank ihrer großen Veranlagung und ihres unbändigen Ehrgeizes weiter steil bergauf. So nahm sie im Zeitraum zwischen 2013 und 2016 viermal an U20- beziehungsweise U18-Weltmeisterschaften teil. Bei den Titelkämpfen 2014 in Eugene (USA) und 2016 in Bydgoszcz (Polen) zählte sie zur 4 x 100-Meter-Staffel des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), die dort jeweils die Bronzemedaille gewann. Darüber hinaus stand sie in jener Zeit bei deutschen Jugendmeisterschaften nach Titelgewinnen im Sprint und im Hürdenlauf sechsmal auf der obersten Stufe des Siegerpodestes.Chantal Butzek stürmte im Jugendbereich - wie hier bei der Leichtathletik-Veranstaltung in Gladbeck - meist als Siegerin durchs Ziel [Foto: Peter Middel]
Ein besonderer Coup gelang ihr dabei bei den deutschen Jugend-Hallenmeisterschaften 2014 in Sindelfingen, als sie sich als B-Jugendliche über 60 Meter und 60-Meter-Hürden gegen eine teilweise zwei Jahre älteren Konkurrenz durchsetzte. Zwei Jahre später war sie bei den deutschen Jugend-Hallenmeisterschaften in Dortmund die gefeierte Sprint-Queen, als sie in der Helmut-Körnig-Halle in 7,27 Sekunden durchs Ziel stürmte. Zu den emotionalen Höhepunkten ihrer Karriere zählten auch ihre Starts beim ISTAF in Berlin. Bei ihrer ISTAF-Premiere war sie vor 12.600 Zuschauern die jüngste Teilnehmerin des renommierten Indoor-Meetings. Im 60-Meter-Sprint stürmte sie im Finale in ihrer persönlichen Bestzeit von 7,25 Sekunden auf Rang vier. Damit lag sie lediglich eine Hundertstelsekunde hinter der Top-Sprinterin Gina Lückenkemper.
Die Begeisterungsfähigkeit, die Struktur und die Disziplin, die sich die mehrfache deutsche Jugendmeisterin während ihrer zehnjährigen Leistungssport-Karriere erworben hat, kommen ihr nun auch während ihrer Ausbildung zur Gymnasiallehrerin zugute. Allerdings hat die 27-Jährige während ihrer unterrichtlichen Tätigkeit bereits erfahren, dass man die Übungsinhalte aus dem Verein nicht in der Schule eins zu eins umsetzen kann. „Der große Unterschied zwischen Schule und Verein besteht darin, dass die Jugendlichen, die Leistungssport betreiben, dies freiwillig tun. Daher ist eine Vereinsgruppe wesentlich homogener als eine Schulklasse und somit einfacher zu betreuen“, betont Chantal Butzek. Für sie ist es als Lehrerin wichtig, dass jede Schülerin und jeder Schüler durch ihren Unterricht einen Lernfortschritt erzielt – auch wenn dieser noch so klein ist.„Der große Unterschied zwischen Schule und Verein besteht darin, dass die Jugendlichen, die Leistungssport betreiben, dies freiwillig tun. Daher ist eine Vereinsgruppe wesentlich homogener als eine Schulklasse und somit einfacher zu betreuen.“
Chantal Butzek
Unterrichtsinhalte im Fach Sport orientieren sich am Breitensport
Ihre Unterrichtsinhalte im Fach Sport orientieren sich in erster Linie an breitensportlichen Aspekten. „Wichtig ist für mich“, so die frühere Ballett-Tänzerin, „dass ich alle Schülerinnen und Schüler motivieren und dort abholen kann, wo sie leistungsmäßig stehen, auch diejenigen, die sich unsportlich fühlen. Der Sport ist so vielfältig, dass für jeden etwas dabei ist.“Chantal Butzek hat als Lehrerin ihren Traumberuf gefunden. Durch ihre unmittelbare Nähe zum Sport, ihre Vorbildfunktion und ihre große Begeisterungsfähigkeit kann sie gute Beziehungen zu ihren Schülerinnen und Schülern aufbauen. Davon profitieren alle Jugendlichen am Reismann-Gymnasium, die sich glücklich schätzen, solch eine nette Lehrerin an ihrer Schule zu haben.
[Peter Middel]