Quelle: privat
Rolf Klupsch hat die Schlussglocke, die reichlich Patina angesetzt hat, spaßeshalber in seinem Garten an einen Baum aufgehängt, um damit den Geburtstag seiner Frau einzuläuten.
Es gibt Dinge, die auch in der modernen Welt noch von praktischem Nutzen sein können. So gibt es weiterhin noch Kirchenglocken, Schulglocken und natürlich die Schlussglocke in der Leichtathletik, die bei Bahnwettbewerben ab 800 Metern den Läuferinnen und Läufern und auch dem Publikum signalisiert, dass die letzte Runde ansteht, in der es um Sieg oder Niederlage geht. Das Bemerkenswerte: Die Schlussglocke ist in der Leichtathletik das einzige Schall- und Messinstrument, das noch händisch bedient wird.
Rolf Klupsch, der langjährige Leichtathletik-Obmann von Preußen Krefeld, war 20 Jahre im Besitz solch einer Glocke, die nach einer 57-jährigen Odyssee im Rahmen des „Tag des Laufens“ am 5. Juni in Münster wieder an die Leichtathletik-Verantwortlichen in der Domstadt zurückgegeben wurde. Die Idee, das „Schätzchen“ anlässlich dieses Tages wieder zurückzuführen, hatte Manfred Steffny, der Chefredakteur der Läuferzeitschrift Spiridon.Fan nahm die Glocke nach historischem Rennen als "Souvenir" mit
Wie Rolf Klupsch in den Besitz dieser Bimmel gekommen ist, ist eine abenteuerliche Geschichte. Am 6. Juni 1967 stellte Harald Norpoth in Münster mit 7:45,2 Minuten einen neuen Europarekord über 3.000 Meter auf. Als der Jubel über diese großartige Leistung verklungen war, und die Zuschauer ihren Heimweg angetreten hatten, hing die Glocke im Stadion noch einsam am Galgen. Ein Leichtathletik-Fan, der namentlich nicht bekannt ist, nahm sie einfach als „Souvenir“ mit.Als dieser Leichtathletik-Enthusiast vor einigen Jahren schwer erkrankte und sein Lebensende nahen sah, übergab er all seine Fanartikel und Leichtathletik-Zeitschriften dem früheren Langstreckler Paul Peeters mit der Bitte, sie nicht einfach auf den Müll zu werfen. Der pensionierte Hauptschullehrer mit einer 10.000-Meter-Bestzeit von 29:26,20 Minuten hielt sich an den Wunsch seines Freundes. Da der frühere DM-Fünfte im Marathonlauf (1974) nur eine kleine Wohnung hatte, musste er sich mit der Zeit von einigen Dingen trennen. Dazu zählte auch die Schlussglocke, die er dem früheren langjährigen Leichtathletik-Obmann des CSV Marathon Krefeld, Rolf Klupsch, vorbeibrachte, denn er wusste, dass sich die Bimmel bei ihm in guten Händen befinden würde.
20 Jahren befand sich die Glocke in der Obhut des inzwischen 81-jährigen früheren Betriebswirtes, und er wollte sie auf Bitten seiner Frau immer loswerden. Am liebsten wollte er das Objekt, das im Laufe der Jahre reichlich Patina angesetzt hat, an den Leichtathletik-Fan zurückgeben. Doch der Zuschauer, der die Bimmel am 6. Juni 1967 nach Harald Norpoths 3.000-Meter-Europarekord als Andenken an dieses mitreißende Rennen einfach mitgehen ließ, konnte nicht mehr ermittelt werden. Rolf Klupsch konnte auch nicht mehr den Vorbesitzer der Glocke, Paul Peeters, befragen, weil dieser am 29. März 2016 im Alter von 67 Jahren plötzlich verstarb.
Der Krefelder Leichtathletik-Mentor hatte die Schlussglocke auch schon dem Sport- und Olympiamuseum in Köln angeboten. Dort zeigte man sich anfangs interessiert, ließ dann aber nichts mehr von sich hören. „Ich war enttäuscht, dass man dort die Glocke nicht haben wollte. Sie hätte gut in die Vitrine passen, die man Harald Norpoth und seinem Mentor Dr. Ernst van Aaken gewidmet hatte“, meint der Krefelder, der sich seit über 50 Jahren in vielen Bereichen der Leichtathletik mit viel Herzblut engagiert.
Rennentscheidender Glockenschlag
Das Schätzchen einfach zu entsorgen, kam für Rolf Klupsch nicht in Frage. Schließlich weiß er die große Bedeutung der Glocke zu schätzen. Ihr Ertönen zu Beginn der Schlussrunde kann nämlich oft rennentscheidend sein, denn das Läuten bildet für Läuferinnen und Läufer den Auftakt zur letzten Kraftanstrengung.Damit es nicht zu Pannen (eine Runde zu früh oder zu spät) kommt, verweist der westfälische Kampfrichter Edmund Gödde, der in diesem Jahr in das World Athletics Referee Gold Level berufen wurde, auf die entsprechende Regel in den Competition Rules (CR) hin: „Ein Rundenzähler ist für die Anzeige der restlichen Runden an der Ziellinie verantwortlich. Die Anzeige ist in jeder Runde dann zu ändern, wenn der Führende in die Zielgerade einbiegt. Zusätzlich müssen, falls erforderlich, den überrundeten oder zu überrundenden Läufern Handzeichen gegeben werden.“
Der „Glöckner“ braucht nach Aussage von Edmund Gödde keine besondere oder spezifische Ausbildung zu haben. In der Regel wird der zuständige Rundenzähler-Obmann für das Bedienen der Schlussglocke aber nur sehr erfahrene Kolleginnen oder Kollegen einsetzen. Fehler können nämlich dramatische Folgen haben.