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Ungläubige Blicke auf seiten des BSV Schüren, aber die Entscheidung von Sebastian Strube steht fest: Strafstoß.
Die gelben Sitzschalen der Helmut-Körnig-Halle blitzen nur noch vereinzelt zwischen den Zuschauer*innen hervor. 4.050 Menschen strömen nach und nach am Samstagnachmittag in die ausverkaufte Dortmunder Sporthalle. Anstelle von roten Sprintbahnen liegt an diesem Tag allerdings ein grüner Kunstrasen inmitten der modernen Indoor-Anlage. Das Finale der Dortmunder Hallenstadtmeisterschaften steht an. Es ist die 37. Auflage des größten Hallen-Amateurturniers Deutschlands, das nach drei Jahren Corona-Pause erstmals am 14. Januar wieder stattfindet. Acht Teams stehen heute auf dem Kunstrasen – und vier Schiedsrichter, die bei den Finalspielen alles im Blick haben müssen.
Während die Geräuschkulisse rund um den Spielbereich immer lauter wird und sich die ersten Amateurfußballer auf der Kunstrasen-Fläche warmmachen, stehen Lukas Greis, Sebastian Strube, Simon Wagemann und Tobias Kraeling am Spielfeldrand. Nachdem die Tornetze kontrolliert sind, besprechen sie die letzten wichtigen Details für den heutigen Turniertag. Auch die richtige Wahl der Kleidung spielt dabei eine Rolle. Nachdem klar ist, welche Trikots die acht Finalteams überstreifen werden, entscheiden sich die Unparteiischen für neongelbe Shirts, schwarze Hosen und schwarze Stutzen. Dann verlassen sie den Innenbereich der Halle und ziehen sich in einen kleinen Raum in den Katakomben des riesigen Gebäudes zurück. Ein kleiner Tisch, ein kleiner Schrank, einige Plastikstühle, ein paar Sporttaschen auf grünem Linoleumboden: Das ist alles, was sich darin befindet.Markus Schanz (v.l.), Sebastian Strube, Tobias Kraeling, Simon Wagemann und Lukas Greis waren für die Einhaltung der Regeln beim Turnier verantwortlich [Foto: FLVW].
Während die vier Männer ihr offizielles Outfit anziehen, werden weitere Details für den Tag besprochen. „Wir stimmen uns vor dem Turnier nochmal ab, wie die klare Regelauslegung für uns aussieht und welche Linie wir heute fahren wollen, damit wir gleich, egal wer an der Pfeife steht, ein stimmiges Bild abgeben“, erklärt Sebastian Strube. Heute wollen sie viel laufen lassen. Wenn es zu hektisch werden sollte, kann so eine Linie aber auch jederzeit angepasst werden.
Expertengespräche am Rand
Das Schiedsrichterwesen ist trotz vieler weiterer, oft tagesaktuellen Themen, in der Schiedsrichterkabine und am Spielfeldrand das bestimmende Thema. Lukas Greis hält eine schwarze Pfeife in der Hand und zeigt sie in die Runde. „Kennt ihr die? Das ist die Fox 40 Sonik. Die ist wirklich laut. Die werde ich das nächste Mal draußen ausprobieren. Für heute ist das vielleicht nicht das Richtige“, sagt der 23-Jährige und damit Jüngste der vier.Für Greis ist es zudem auch die erste Teilnahme an einer Hallen-Endrunde. Aufgeregt ist der Bezirksliga-Schiedsrichter deswegen aber nicht. Denn er kennt sich gut aus in der überdachten Umgebung. „Ich pfeife auch Futsal und habe dadurch viel Hallenerfahrung.“ Einen entscheidenden Unterschied zum heutigen Tag stellt er dann aber doch fest. „Nach dem fünften Mannschaftsfoul – innerhalb einer Halbzeit – gibt es beim Futsal für jedes folgende Foul einen direkten Freistoß für den Gegner vom Zehn-Meter-Strafstoßpunkt. Deswegen wird da wesentlich weniger gefoult. Das wird heute anders werden“, sagt Greis.
Lukas Greis im freundlichen Austausch mit TuS-Verteidiger Migel-Max Schmeling [Foto: FLVW].
Wenn man das Ganze mit einem Spiel auf dem Großfeld vergleicht, wird heute vor allem auch die Spielgeschwindigkeit anders sein. „In der Halle ist es viel intensiver. Es gibt viel mehr Zweikämpfe, in jeder Situation kann was passieren. Draußen hast du auch mal ein paar Sekunden Ruhe. Das ist in der Halle eigentlich gar nicht gegeben“, sagt Simon Wagemann. Der 38-Jährige wird ein paar Minuten später auch das erste Spiel zwischen dem VfR Sölde und TuS Hannibal leiten. Plötzlich kommt Markus Schanz in den kleinen Raum. Der Vorsitzende des Dortmunder Kreis-Schiedsrichter-Ausschusses (KSA) bittet Wagemann, noch einmal die Trikots der beiden Teams zu begutachten. Sie sind zu ähnlich. Am Ende muss Hannibal von grün auf weiß wechseln.
Teamarbeit auf und neben dem Platz
Bevor es dann auf den Platz geht, werden noch einmal die Rollen jedes einzelnen geklärt. Ein Schiri steht auf dem Platz, einer steht in der unteren Ecke des Spielfeldrandes. Die anderen beiden sitzen auf Höhe der Mittellinie. Sie sollen vor allem beobachten, was neben dem eigentlichen Spiel passiert, also zum Beispiel auch die Bänke im Blick haben, wenn es unruhig wird. Zudem sollen sie beratend zur Seite stehen, wenn es um schwierige Entscheidungen geht, zum Beispiel bei der Vergabe persönlicher Strafen. „Das muss wirklich schnell gehen. Wenn einer den Blick nach Außen sucht, brauchen wir schnelle Zeichen, wie die Situation eingeschätzt wird. Am besten stellt sich einer von euch einfach hin, wenn ihm etwas Besonderes aufgefallen ist. Dann hat man das direkt im Blick“, sagt Strube zu seinen Kollegen.Teamarbeit ist ein entscheidender Faktor für einen erfolgreichen Tag aus Sicht der Unparteiischen. Jeder Schiedsrichter versucht, für den anderen mitzugucken, die anderen so gut wie möglich zu unterstützen. Einer der Gründe, weswegen Tobias Kraeling, der sonst in der Landesliga unterwegs ist, ein echter Hallen-Fan ist. „Mir macht die Team-Arbeit bei solchen Turnieren grundsätzlich Spaß. Das ist auch enorm wichtig, damit das hier funktioniert“, sagt Kraeling. Es gibt aber noch etwas, dass den 40-Jährigen und damit Dienstältesten des Vierergespanns an einem Endrunden-Tag reizt. „Es ist immer wieder schön, vor so einer Kulisse zu stehen. Wir hatten jetzt knapp drei Jahre Pause mit solchen Turnieren. Das macht dann schon richtig Bock“, sagt der erfahrene Mann an der Linie.
Dann geht es auf den Platz. Der Bezirksliga-Schiedsrichter Wagemann pfeift das erste Spiel zwischen Hannibal und Sölde. Strube steht in der Spielfeldecke, Greis und Kraeling nehmen in der Mitte Platz. Von Spiel zu Spiel werden die Rollen immer wieder getauscht. Der Arbeitstag des Vierergespanns läuft allgemein entspannt. Keine gröberen Fouls, keine sonstigen bösen Überraschungen. „Grundsätzlich läuft alles gut, die Spieler sind fair. Wir hatten zwar grad mal eine Zwei-Minuten-Strafe, aber selbst da hat der Stürmer sofort zugegeben, dass er den Gegenspieler gezogen hat und sich auch nicht beschwert, deswegen alles gut“, zieht Lukas Greis nach einigen Spielen ein erstes Zwischenfazit."Es ist viel intensiver, viel mehr Zweikämpfe, in jeder Situation kann was passieren. Situationen, in denen man draußen auch mal ne Sekunde Ruhe haben könnte, sind in der Halle eigentlich gar nicht gegeben."
Simon Wagemann, Bezirksliga-Schiedsrichter
Egal, wer an diesem Tag als Hauptschiedsrichter auf dem Platz steht, nach jedem Spiel kommen die Schiedsrichter zusammen, klatschen sich ab, reden kurz. Und auch das hat einen Grund. „Da bespricht man nochmal die ein oder andere Szene und Kleinigkeiten, die vielleicht aufgefallen sind. Und dann geht’s auch schnell ins nächste Spiel rein“, führt der 23-Jährige weiter aus.
Kurzer Protest
Bei der nächsten Partie wird es dann das erste Mal hektisch. Beim ersten Spiel um den Einzug ins Finale zwischen dem TuS Hanninbal und dem FC Brünninghausen steht es lange Zeit 1:0 für den FC. Neun Sekunden vor Schluss dann ein Eckball für den TuS. Schnelle Ausführung. Und tatsächlich: Der Ball ist drin. 1:1. Allerdings gibt es ein Problem: Simon Wagemann, der als Hauptschiedsrichter auf dem Platz steht, hatte das Spiel noch nicht freigegeben. Der Treffer zählt nicht. Nach kurzen Protesten kann das Spiel aber weitergehen. Und der FC steht als erster Final-Teilnehmer fest.Auf den FC folgt der ASC 09 Dortmund, der sich gegen den favorisierten TuS Bövinghausen durchsetzt. Das Finale steht also fest – und mit ihm auch der Schiedsrichter, der das Spiel leiten wird. An diesem Tag ist es der 27-jährige Sebastian Strube. Mit Strube steht als Westfalenliga-Schiedsrichter am Ende der klassenhöchste Schiri auf dem Platz. „Als Vertreter des Kreis-Schiedsrichter-Ausschusses (KSA) hat man zum Turniertag ja durchaus eine Vorplanung im Kopf, der Tag an sich und die Spielleitungen können aber natürlich auch eine Rolle spielen“ erklärt Markus Schanz. „In diesem Fall haben alle ihre Leistungen aus Vor- und Zwischenrunde, mit denen sie sich für Endrunde qualifiziert haben, bestätigt. Dass dann der Klassenhöchste pfeift, ist nicht zwingend ein Automatismus, da gucken wir auch mal in die Historie. Tobias Kraeling hatte das Finale der letzten Ausgabe vor Corona im Jahr 2020. Simon und Lukas waren zum ersten Mal in der Endrunde, Lukas sogar zum ersten Mal überhaupt in der Halle dabei – da leitet man nicht sofort das Finale".
Shake Hands: Nach jedem Spiel kommen die Schiedsrichter kurz zusammen [Foto: FLVW].
Nach 20 Minuten pfeift Strube ein faires Endspiel ab. Ein 3:1 kürt den ASC 09 zum neuen Dortmunder Hallenmeister. Mit dem Beginn des Jubels und der Party der Spieler endet der Arbeitstag der Unparteiischen. Markus Schanz ist zufrieden mit dem Ablauf des Turniers – und den Leistungen seiner Jungs: „Ich bewerte den Ablauf des Tages – wie schon Vor- und Zwischenrunde sowie den ersten Finaltag – aus Schiedsrichtersicht als reibungslos. Insbesondere die beiden Halbfinals waren wohl die emotionalen Highlights des Turniers. Da waren auch die vier Schiedsrichter ordentlich gefordert und unter Strom, haben das aber sowohl regeltechnisch als auch im Handling der Emotionen wirklich gut gelöst“, fasst der Regel-Experte die spannenden Fußballtage in der Halle zusammen.
Während auf dem Platz noch gefeiert wird, ziehen sich die Schiedsrichter ein letztes Mal in ihren kleinen Raum abseits des Trubels zurück. Ein letztes kurzes Resümee, ein erstes Anstoßen und damit das Ende des größten Hallen-Amateurturniers Deutschlands – auch für die Schiedsrichter.