Quelle: Hintergrund: Alex Grimm / Getty Images
Patrick Neumann möchte als Kreissportrichter der negativen Entwicklung etwas entgegensetzen.
Patrick Neumann ist Vorsitzender des Kreissportgerichts Dortmund. Im Interview FLVW.de spricht er darüber, mit welchen Fällen er es als Sportrichter zu tun bekommt und warum er sich für das Amt entschieden hat.
Wann wird das Kreissportgericht tätig?Patrick Neumann: Insofern sind das eher die härteren Sachen, die wir bearbeiten müssen. Da geht es um Beleidigungen, um Tätlichkeiten, Schlägereien, oder Ausschreitungen bei den Zuschauern. Ausnahme sind die Trainer, die landen automatisch bei uns, wenn sie eine Rote Karte bekommen. Diesbezüglich gab es vor ein paar Jahren eine Änderung. Insgesamt fällt da einiges an Arbeit an. Wir betreuen circa 1.100 Teams. Bei der Masse an Spielen treten dementsprechend viele Fälle auf.
Mit welchen Fällen bekommen Sie es am häufigsten zu tun?
Neumann: Die häufigsten Fälle sind Beleidigungen. Und leider gibt es in letzter Zeit auch eine Zunahme an Beleidigungen und Bedrohungen gegenüber Schiedsrichtern.
Anhand welcher Kriterien legen Sie das Strafmaß fest?
Neumann: Wir orientieren uns an der Rechts- und Verfahrensordnung. Da sind gewisse Rahmen vorgegeben. Die Beleidigung „Hurensohn“ beispielsweise wird bei den Senioren mit sechs bis acht Wochen geahndet. Ähnlich verhält es sich bei A- und B-Junioren, die schon ziemlich genau wissen, was sie da tun oder sagen. Wenn es in die jüngeren Jahrgänge geht, liegt das Strafmaß etwas darunter, also bei fünf bis sechs Wochen, vorausgesetzt, es sind keine Wiederholungstäter.
Wie viel Ermessensspielraum gibt es bei den Urteilen?
Neumann: Wir haben die Möglichkeit, Sachen zu protokollieren, wenn vorherige Vergehen da waren. Da bekommen wir dann ein Gefühl, ob wir den Spieler länger sperren müssen oder ob man auch mit einer kürzeren Strafe auskommt. Es sind noch verschiedene Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Ist der Spieler vorher provoziert worden? Oder gibt es andere Umstände, die die Strafe etwas mildern können? Grundsätzlich bewegen wir uns aber immer in dem Rahmen ab fünf Wochen, sonst würde es wenig Sinn machen, den Fall im Kreissportgericht zu behandeln.
Wie viele Fälle landen pro Saison beim Kreissportgericht?
Neumann: Wir hatten letzte Saison circa 300 Fälle vorliegen. Das war ein leichter Rückgang im Vergleich zur Vorsaison, wo es 450 Fälle waren. In diesem Jahr liegen wir zur Winterpause ungefähr bei 200.
Warum haben Sie sich entschieden, Sportrichter zu werden?
Neumann: Einige leben ihre Gewalt am Wochenende auf dem Platz aus. Wenn wir da keine Grenzen setzen, wird der Fußball ein rechtsfreier Raum werden. Diese mögliche Entwicklung möchte ich einfach nicht akzeptieren. Ich bin früher auch als Spieler, Trainer und Schiedsrichter tätig gewesen und habe alle Facetten mitgemacht. Diese Verrohung möchte ich nicht mitmachen und habe mich deshalb entschieden, dem als Sportrichter entgegenzuwirken.
Was spricht aus ihrer Sicht dafür, sich als Sportrichter zu engagieren?
Neumann: Es ist sehr facettenreich. Man erlebt viele Geschichten, viele Schicksale. Viele Sachen passieren einfach aufgrund von Schwierigkeiten im privaten Umfeld. Und wir können Erfolge verzeichnen, was Prävention angeht, zum Beispiel mit unserer „Gewalt-Ampel“. Dazu ermitteln wir im Kreis auf der Grundlage der KSG-Verfahren die auffälligsten fünf Vereine. Wir führen dann Gespräche mit den Vorständen und sehen meist, dass diese fünf Vereine in der Folge kaum noch auffällig sind. Das hehre Ziel ist, dass wir irgendwann auch mal alle Vereine in die Spur bekommen. Den Einzeltäter, der meint, dass er sonntags mal ausrastet und seinen Gegenspieler schlägt, werden wir nicht verhindern. Aber wir werden dafür kämpfen, dass es insgesamt weniger wird.
Was sollte man für das Amt mitbringen?
Neumann: Man muss kein Jurist sein, das ist das Gute am Sportgericht. Wer ein kleines Grundinteresse am Sport hat, wird sich da sehr wohlfühlen. Ich hatte vorher als Spieler, Trainer und Schiedsrichter bereits andere Bereiche des Fußballs kennengelernt. Das ist von Vorteil, damit man sich besser hineinversetzen kann, was da passiert sein könnte. Wir sind ja in der Regel nicht dabei, wenn die Vorfälle passieren.