Quelle: Peter Middel (Archivbild)
Kurt Bendlin mit seiner Bronzemedaille, die er 1968 bei den Olympischen Spielen in Mexico City gewann
Am 13./14. Mai stellte Kurt Bendlin, der gestern (22. Mai) seinen 80. Geburtstag feierte, an den brütend heißen Pfingsttagen des Jahres 1967 mit 8.319 Punkten einen neuen Zehnkampf-Weltrekord auf und schrieb Leichtathletik-Geschichte. Vor zwei Jahren hätten ihn ein Schlaganfall und ein Herzinfarkt beinahe aus dem Leben gerissen. Doch er kämpfte sich durch und überstand dank seiner guten körperlichen Konstitution diese Schicksalsschläge.
Nach seiner erfolgreichen Laufbahn zog sich der frühere Weltrekordler weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück und lebte abgeschieden auf seinem Bauernhof in Paderborn. Er blieb der Leichtathletik verbunden, allerdings betrachtete er den Sport aus einer anderen Perspektive.2010 besuchte ihn der damalige Leichtathletik-Pressewart Peter Middel in seinem großflächigen Domizil in Paderborn – hier ein Auszug aus seinem damaligen Bericht:„Der Hof ist für mich ein großer Fitness-Raum. Als einzigen Luxus gönne ich mir einen Sitzrasenmäher.“
Kurt Bendlin
„Während seiner aktiven Zeit musste Kurt Bendlin oft Höllenqualen erleiden, doch nun lebt er im Paradies. Wer den früheren Zehnkampf-Weltrekordler auf seinem Bauernhof in Paderborn besucht, erfährt Natur pur. 200 Bäume befinden sich auf dem 14.000 Quadratmeter großen Areal. Jeder Besucher wird von Dackel Lisa freundlich begrüßt. In der Ferne schnattern die beiden Gänse Berta und Schneewittchen. „Sie bekommen alles mit“, lobt Kurt Bendlin die Aufmerksamkeit des Federviehs. In mehreren Schuppen hat der umsichtige Hausherr jede Menge Holz gelagert und alles, was die Natur so hervorbringt. Zudem hat er dort fein säuberlich sein Equipment deponiert, das er für seine natursportlichen Aktivitäten als Management-Berater für Sport, Training und Gesundheit benötigt.
„Der Hof ist für mich ein großer Fitness-Raum. Als einzigen Luxus gönne ich mir einen Sitzrasenmäher. Ansonsten mache ich alles selber“, erläutert Kurt Bendlin, der auch nach der Beendigung seiner erfolgreichen Laufbahn immer noch ein Kraftpaket ist. Zu seinen Lieblingstätigkeiten zählt das Holzhacken. Bei verschiedenen Wettbewerben dieser Art hat er schon manch einem Spezialisten das Nachsehen gegeben.
Kurt Bendlin beim Holzhacken auf seinem Hof in Paderborn [Archivfoto: P. Middel]
Kurt Bendlin ist die Kraft in die Wiege gelegt worden. Sein Onkel hatte den Ruf, stärkster Mann Ostpreußens gewesen zu sein, und seine Mutter war eine recht zupackende, aber herzensgute Frau. Der frühere Weltrekordler wuchs in Malente auf und kam dann über Hamburg, Berlin und Leverkusen 1979 nach Paderborn. Den Hof, auf dem früher die Angestellten der Firma Nixdorf oft ihre Betriebsfeste feierten, erwarb er 1983 nach einem Tipp von Unternehmer Heinrich Nixdorf, der für ihn väterlicher Freund war.
Ehefrau Martina Bendlin, die der Zehnkampfstar kennenlernte als er 1966 nach einem Meniskusriss bei Prof. Dr. Wildor Hollmann auf Krücken ins Untersuchungszimmer humpelte, vergoss damals Tränen, als sie von den Kaufplänen ihres Mannes erfuhr. Schließlich ist die Idylle 1,4 Kilometer vom nächsten bewohnten Haus entfernt. Heute genießt Martina Bendlin das Hofleben. Die Kinder Nicola (26) und Kolja (24), die inzwischen nicht mehr zu Hause wohnen, verbrachten eine unbeschwerte Jugend auf dem elterlichen Anwesen am Rande Paderborns. Kurt Bendlin sorgte dafür, dass sich die beiden in freier Natur richtig austoben konnten. Sein Sohn Kolja war ein Riesentalent und sprang bereits mit neun Jahren über fünf Meter weit.
Leiter der Sport- und Ausbildungsförderung bei Nixdorf
Heinrich Nixdorf vermittelte dem Zehnkampf-Recken nicht nur den Hof, sondern machte ihm damals auch das Angebot, in seinem Unternehmen als Leiter der Sport- und Ausbildungsförderung und im LC Paderborn als Trainer zu arbeiten. Kurt Bendlin nahm die Offerte dankend an und entwickelte für 30.000 „Nixdörfer“ Sport- und Freizeitprogramme. Zudem versuchte er, in Kooperation mit einigen Sportlehrern 2.100 Auszubildende des Unternehmens für den Sport zu begeistern. Dabei fand er im nahegelegenen Ahorn-Sportpark optimale Bedingungen vor.Nach dem Ende des Paderborner Hightech-Unternehmens im Jahre 1990 musste sich Kurt Bendlin beruflich neu orientieren. Seit 1991 bietet der Paderborner Seminare für Manager und Unternehmer an, bei denen Planung, Organisation und Zusammenarbeit eine wichtige Rolle spielen. Bendlin führt auch Kurse wie „Vater und Kind“ durch und beschäftigt sich mit Drogenabhängigen, denen er wieder zu neuem Lebensmut verhelfen möchte. Mit der zuletzt genannten Gruppe zieht der frühere Weltklasse-Athlet hinaus in die Natur, wo sich die jungen Leute wieder auf ihre eigenen Kräfte besinnen können. Dabei entdecken sie durch Schnitzen und dem Umgang mit Holz bei sich oft Fähigkeiten, die vorher im Verborgenen lagen.„Mexiko City - das war der größte Sieg über mich selbst. Wenn es mir in meinem Leben einmal schlecht ging, hat der Gedanke an diesen Erfolg mich immer wieder aufgerichtet.“
Kurt Bendlin
Immer bis zum Anschlag kämpfen ...
Ob bei einem kleinen Dorfsportfest oder auf internationaler Bühne - Kurt Bendlin kämpfte immer bis zum Anschlag. Daher brauchte er sich auch bei Niederlagen nie Vorwürfe zu machen. 12-mal musste er während seiner aktiven Zeit an Achillessehnen, Ellenbogen und Meniskus operiert werden, doch er hat die Hoffnung nie aufgegeben. So auch 1968 nicht, als er sich sechs Wochen vor den Olympischen Spielen in Mexiko City im Höhentrainingslager in Flagstaff beim Weitsprungtraining einen Muskelfaserriss zuzog. Drei Wochen lang musste er das Bett hüten. Dennoch schaffte er das Unmögliche und gewann mit 8.064 Punkten hinter dem US-Amerikaner Bill Toomey (8.193 P.) und dem Deutschen Hans-Joachim Walde (8.111 P.) Bronze. Für Kurt Bendlin ist diese Medaille, die ihm bei einem Diebstahl einmal abhanden kam, mehr als ein Stück Edelmetall: „Mexiko City - das war der größte Sieg über mich selbst. Wenn es mir in meinem Leben einmal schlecht ging, hat der Gedanke an diesen Erfolg mich immer wieder aufgerichtet.“[Peter Middel]